Schmerzball Teil 2: Eigentor des Egos

In meinem letzten Schmerzball-Text ging es um die Bälle, die uns die anderen zuspielen. Dieses Mal geht es um die Bälle, die wir rauswerfen – und die uns genau so unmittelbar wieder um unsere eigene Nase fliegen. Es sind nicht immer die anderen. Tatsächlich sind es immer wir selbst. Und hier ist es egal, ob wir die sind, die die Bälle werfen oder die, die die Bälle abbekommen: Es geht um Resonanzgesetze, die immer stimmen.

 

Ganz schön ungemütlich, dass wir es immer selbst sind und unsere Schmerzen rein gar niemandem in die Körbe werfen oder in die Schuhe schieben können. Bekommen wir einen Ball ab, geschieht das eben nur, weil ein inneres Thema in uns schreit und gesehen werden möchte. Werfen wir einen Ball, geschieht auch das nur, weil unser gegenüber auf der Stirn stehen hat: Wirf den Ball gegen meinen Kopf, damit ich wach werde, ich kann es selbst nicht sehen… Aua. Gelbe oder rote Karte für uns als Werfer, Schmerz für den Anderen und direkt auch eigener Schmerz für uns.

 

Und wir selbst werfen diesen Ball weg von uns nur dann, wenn wir gerade selbst in einem eigenen Thema schlafen und es nicht sehen können oder wollen – und den Rückschlag des anderen benötigen. Sodass uns der eigens geworfene Ball dann durch unseren Gegenspieler, der eigentlich unser essentieller „Erkennungszuspieler“ ist, den Ball zurückwirft. Damit wir unserem eigenen inneren Thema auf die Schliche kommen, welches wir eigentlich gerne dem Anderen zugeschoben hätten. Funktioniert leider nicht…

 

Unsere Egos brechen sich aneinander und werden dadurch wach – welch ein Geschenk. Wenn auch nicht immer mit Freude ausgepackt… Puh. Dieses Ego. Bekommen wir gerade einen oder viele Bälle ab, heißt das nicht, dass wir die Schmerzen, die der andere bei uns auslöst, gut finden müssen und komplett tolerieren sollten. Wir haben kein gesundes Denken bekommen, um alles über uns ergehen zu lassen, jedem jede Freiheit zu gewähren und unseren Kopf als Spielball zu benutzen.

Wir selbst sind aufgerufen, unsere Grenzen zu setzen und immer wieder neu zu definieren. Uns aufgrund der Bälle, die auf uns fliegen, zu positionieren uns in unserer Kraft und Größe zu stellen.

 

Tun wir das nicht – oft sogar um den andern zu schützen – werden mehr und mehr Bälle kommen, und wir werden nicht mehr aufstehen können und irgendwann wirklich schmerzlich und aufgeopfert zusammenbrechen.

 

Einmal einen Ball geworfen, in dem Wunsch, den anderen zu verletzen, zu wecken oder was auch immer zu erreichen, verletzen wir uns in erster Linie selbst. EIGENTOR. Unmittelbar. Geworfene Bälle treffen 2 mal. Uns UND den Anderen. Wir werfen in eine ohnehin schon offene Wunde hinein und bekommen ihn schmerzvoll in unsere eigene zurück. Wir tun das eventuell unbewusst, damit wir diese Wunde aufspüren können. Die blinde Wunde kann oft nur durch die Grenze oder das Zurückwerfen des Anderen sichtbar werden.

Doch den Schmerz, den wir beim anderen ausgelöst, also aus ihm herausgeholt haben, der bleibt.

 

Rote Karte

Er wird sich dadurch zwar einem eigenen alten Schmerz bewusst, wofür er letztendlich dankbar sein kann – doch sorgt es auch für neue Brüche und Verletzungen. Das sollten wir nicht vergessen. Eine vorher heile Verbindung ist somit erstmal „gestört“. Ganz heile Verbindungen werden wir wahrscheinlich nie haben und das Hin- und Herwerfen der Bälle ist ein menschliches und natürliches, und vor allem nötiges, „Erkennungsspiel“. Doch sollten wir es damit nicht übertreiben.

 

Je mehr wir die gegenseitigen Spiegelungen annehmen, desto weniger schmerzvoll die zugeteilten und auch abbekommenen Bälle. Es kann so ein wirklich spielerisches Austauschen werden. Weniger Brennball, eher ein liebvolles Hin- und Herwerfen im gegenseitigen Üben und Erkennen. Das macht heilsamen Begegnungen und Beziehungen aus.

 

Werfen wir Bälle, die unsere eigenen sind, ist ein Bruch da – bis zu dem Moment, wo wir den Ball zu uns zurücknehemn. Das tun wir in dem Moment, wo das Ego erkennt: Ups, das war ja meiner! Wie immer… Und doch konnte ich in dem Moment nicht anders. Musste selbst etwas erfahren, sehen, lernen, Grenzen setzen, Grenzen gesetzt bekommen.

 

In dem Moment, wo wir wirklich ernst gemeint und erkannt sagen: Es tut MIR leid. Ja, eben MIR! – kann eine Heilung geschehen. Denn wir haben uns selbst ja den Schmerz zugefügt und ganz ehrlich, keiner möchte doch wirklich ernsthaft den Mitspieler verletzen, oder?

Es tut uns leid, weil wir uns selbst, sowie den Anderen verletzt haben…

 

Erkennen beide Gegenspieler, oder bestenfalls das Team oder Mitspieler, ihr Zutun an der Sache und übernehmen die Verantwortung für ihren eigenen Schmerz, kann glücklicherweise doppelt Heilung entstehen. Dem, der den Ball zum Anderen hinschoss und seine alte Wunde zum Bluten brachte, hilft es, sich dem Anderen wieder liebevoll zuzuwenden und dieses Blut zu stoppen oder ein wenig zu lindern, indem er es eben zurücknimmt und dem Gegenüber dafür etwas Liebevolles entgegenbringt. So kann die wieder aufgegangen Wunde heilen und etwas von dem alten Schmerz heilt mit. Das ist ein großer Segen – für beide Seiten.

 

Wir sind keine Einzelkämpfer. Heilung kann erst dann entstehen, wenn wir unsere Spiegelungen annehmen. Wenn wir lernen, uns hinzuweisen, bestenfalls ohne Verletzungen. Wenn aber Verletzungen entstehen, anzuerkennen, dass eben genau diese sein mussten, damit beide Seiten etwas lernen. Lernen, in die Eigenverantwortung zu gehen, lernen, Grenzen zu setzen, indem wir unseren eigenen Wert definieren, lernen, nicht die Bälle des anderen einfach so zu ertragen, bis wir jämmerlich untergehen. Auch, wenn wir es aus Liebe zum Anderen tun.

 

Sowohl uns als auch dem Gegenüber ist nur geholfen, wenn wir laut und deutlich Stopp sagen. Ein Stopp ohne Wurf ist heilsam. Beide können in ihre Position gehen und das Ego muss weichen. Ist disqualifiziert. Werfen wir wild hin und her und immer wieder von uns weg, entsteht mehr und mehr Schmerz, weniger Lösung, keine Heilung und ein Entfernen von uns selbst und auch dem Anderen.

 

Spielregeln verstanden?

Nimm deinen Schmerz in die Hand. Der, der dich verleitet, dem Anderen Schmerzen zufügen zu wollen. Und nimm auch den Schmerz in die Hand, den der Andere bei dir auslöst. Wirfst du ihn doch, fühle was das mit DIR macht. Bekommst du den Ball ab, entscheide weise. Was soll ich hier lernen? Wie darf ich mich positionieren? Wie definiere ich meinen eigenen Wert und bleibe mir selbst treu?

Dann kannst du wachsen, erkennen, Wunden heilen und Ruhe entstehen lassen. Dankbarkeit und auch das Vergeben der abbekommenen Bälle wird möglich. Weil wir eben auch darin unser nach Heilung strebendes Herz herausblicken sehen können.