TEIL 2 | Soziale Medien: Zwischen Selbstdarstellung und Selbstzerstörung
Die Selbstdarstellung auf Instagram, Facebook und Co. ist zu einer Illusionsblase expandiert, die mir langsam Angst macht. Was passiert hier? Klar – es ist sinnvoll und sogar sehr wichtig, Gutes im Netz zu verbreiten. Doch wo ist der Unterschied zwischen Selbstdarstellung und dem Wunsch, andere zu inspirieren oder den Selbstausdruck zu fördern?
Ich frage mich das selbst, während ich hier schreibe, und ich frage mich das immer wieder.
Noch vor einem Jahr wollte ich am liebsten rein gar nichts von mir preisgeben, nicht ein einziges Fotos im Netz haben und mich am liebsten völlig aus dieser ungemütlichen Affäre ziehen. Doch ich habe gemerkt: Das ist auch nicht der richtige Weg. Um uns gegenseitig zu erreichen, müssen wir uns sehen. Und klar, wir haben nicht die Zeit, uns täglich in großen Gruppen zu treffen – leider! Schön wäre es. Ich merkte schnell: Je persönlicher, umso mehr Interaktion – und umso mehr Likes.
Es ist spannend zu sehen, wie viele das für sich nutzen. Ich höre von so vielen Strategien, um in kurzer Zeit immer bekannter zu werden, immer mehr Freunde, Likes, Follower. Ich glaube, dass Menschen sich davon ernähren; das Gefühl haben, sie werden dadurch lebendig. Ich frage mich ernsthaft: Wollen wir wirklich die ganze Zeit in dieser Welt gefangen sein? Würden wir genau so und dasselbe posten, wenn es keinen Like- oder Folgen-Button geben würde? Wenn wir niemals erfahren würden und könnten, wer wirklich unsere Posts sieht, wer sie auch wirklich liest, ob sie gefallen oder nicht? Würden wir es genau so tun, wenn es nur eine Person ansehen würde? Es diese zwar bewegt, sie aber doch niemandem davon erzählen würde?
Ich finde diese Vorstellung entspannter – und auch spannender.
Inwieweit ernährst du dich von Likes, Herzchen, Kommentaren von oft unbekannten Menschen?
Erst zum Yoga, alles easy und ach so spirituell. Om Bruder, Om Schwester, namaste! Alle sind bewusst, ökologisch, rein und reflektiert. Und dann – kurz WhatsApp checken, Fotos schießen, Insta Postings machen – 100 neue Follower als Ziel der Woche.
Aber warum zieht uns das so? Ja, weil der Mensch sich nach Persönlichkeit sehnt. Er hungert danach, aber er verhungert (im wahrsten Sinne des Wortes) bis auf die Knochen, während er diese Nahrung online sucht, ohne die wahre Begegnung jemals erreichen zu können. Der Hunger kann so nie gestillt werden. Er wird größer und größer – daran glaube ich. Wäre uns das nur annähernd bewusst, würden wir panisch alle Stecker ziehen. Absurd, aber wir werden zum Werkzeug der Technik.
Ein Gedankenspiel: Wie wäre es, wenn täglich alle für nur 2 Stunden zur selben Zeit online wären? Zum Arbeiten, Posten, Werben – und dann für den Rest des Tages offline? Was würde sich verändern? Wie viel Zeit wäre da? Wie viele echte Begegnungen? Wie viel mehr Gesundheit? Und welch unglaubliche Freiheit!
Die Online-Welt ist wie ein Double der wirklichen Realität, eine billige Kopie. Unsere Scheinwelt. So, wie wir es eventuell gerne hätten. So, wie wir gesehen werden möchten.
Ich bin auch nicht dafür, gar nicht mehr online zu sein – das ist nicht nicht zeitgemäß. Ich finde einen Austausch wichtig. Nur im gemeinsamen Erkennen, Reflektieren und Ansehen können wir Bewusstsein schaffen. Alleine geht es nicht. Doch hinterfragt mal die Gedanken, die euch da rufen. Schon allein dadurch kann so viel Selbsterkenntnis entstehen, dass der Wunsch versiegt, jedes Erleben zu teilen. Lasst euch nicht wegziehen aus der Realität, aus eurer Natur, aus der Menschlichkeit. Wie wäre es, wie würdest du dich fühlen, wenn all das komplett wegfallen würde? Euer Körper würde sicher erleichtert durchatmen – und euer Geist erst recht.